Wer erkennt es – August 2025
Der Sommer hat uns fest im Griff: wir genießen die Sonnenstrahlen, das Treffen mit Freunden, den Jahresurlaub. Im Radio läuft Musik, sanft und seicht oder auch leicht und jubilierend. Sommerhits halt. Ein Lied habe ich in letzter Zeit häufiger gehört, dass so gar nicht dazu passt. Gedanklich verbinde ich es mit einer Krankenhausserie über krebskranke Kinder. Ich bin gespannt, mit was Sie es verbinden. Hier ist der Text:
Ich, ich werde König sein,
Und du, du wirst Königin.
Obwohl sie nichts vertreiben wird,
Können wir sie schlagen, nur für einen Tag.
Wir können Helden sein, nur für einen Tag.
Und du, du kannst gemein sein
Und ich, ich werde die ganze Zeit trinken.
Denn wir sind Liebende, und das ist Fakt.
Ja wir sind ein Liebende, und das ist das.
Obwohl uns nichts zusammenhalten wird,
Könnten wir Zeit stehlen, nur für einen Tag.
Wir können Helden sein, für immer und ewig.
Was meinst du?
Ich, ich wünschte, du könntest schwimmen, wie die Delphine.
So, wie die Delphine schwimmen können.
Obwohl uns nichts, nichts zusammenhalten wird,
Können wir sie schlagen, für immer und ewig.
Oh, wir können Helden sein,
Nur für einen Tag
Ich, ich werde nicht König sein,
Und du, du wirst nicht Königin. [*]
Obwohl sie nichts vertreiben wird,
Können wir Helden sein, nur für einen Tag.
Wir können wir sein, nur für einen Tag.
Ich, ich kann mich erinnern (Ich erinnere mich)
Wie wir an der Mauer standen (An der Mauer)
Und die Pistolen, sie schossen über unsere Köpfe (über unsere Köpfe)
Und wir küssten uns, als ob nichts fallen könnte (nichts fallen könnte)
Und die Schande war auf der anderen Seite
Oh, wir können sie schlagen, für immer und ewig
Dann könnten wir Helden sein, nur für einen Tag
Wir können Helden sein
Wir können Helden sein
Wir können Helden sein
Nur für einen Tag
Wir können Helden sein
Wir sind nichts, und nichts wird uns helfen
Vielleicht lügen wir, dann solltest du lieber nicht bleiben
Aber wir könnten sicherer sein, nur für einen Tag
Oh-oh-oh-ohh, oh-oh--oh-ohh, nur für einen Tag
Held sein, nur für einen Tag im Rampenlicht stehen als ein besonderer Mensch, als einer der alles schafft, als einer, der alles kann. Als Held! Träumt davon nicht jeder einmal?
Spinnen wir das einmal weiter, genauso, wie in dem Lied ja fantasiert wird. Als Held kann man sich alles erlauben: „Und du, du kannst gemein sein, Und ich, ich werde die ganze Zeit trinken.“ Man hat Fähigkeiten, die man sonst nicht hat („Ich, ich wünschte, du könntest schwimmen, wie die Delphine. So, wie die Delphine schwimmen können.“) Und selbst Waffen können einen nichts anhaben: „Wie wir an der Mauer standen (An der Mauer)Und die Pistolen, sie schossen über unsere Köpfe (über unsere Köpfe). Und wir küssten uns, als ob nichts fallen könnte (nichts fallen könnte). Und die Schande war auf der anderen Seite“. Superheld für einen Tag.
Ich vermute, so wie mein Alltag aussieht, sieht er bei vielen aus. Tag für Tag auf Arbeit, bis man abends kaputt nach Hause kommt und eigentlich zu nichts mehr in der Lage ist oder auch nur Lust hat, sich aufzuraffen, etwas zu unternehmen. Von Superheld ist da keine Spur.
Dann kommt der Urlaub und man unternimmt Dinge, die man sonst eben nicht macht. Man ist ausgeschlafen und fit und hat den ganzen Tag Zeit. Man fühlt sich zum Bäume ausreißen! Aber als Superheld? Da bleibt man dann doch lieber in der Komfortzone und kümmert sich um sich und die Seinen.
Dabei wäre es so leicht, zum Superheld zu werden. Zum Held bei der gestressten Mutter, deren Kind man mit zum Spielplatz nimmt. Zum Held bei der alten Dame, für die man den Einkauf mitmacht. Zum Held bei einem Schüler, dem man endlich den Dreisatz verständlich erklären konnte. Zum Held bei dem Kind, dessen Fahrrad man repariert. Zum Held… Lassen Sie ihre Fantasie einmal spielen wo und wie Sie zum Held werden könnten. Wenn man den Mut aufbringt, die eigenen Grenzen zu überschreiten und zu helfen. Und, sind wir ehrlich, mal nicht wie sonst nur an sich und die Seinen denkt, sondern halt auch an die Anderen.
Natürlich ist das nicht einfach. Übrigens nicht für beide Seiten. Denn auch für die, die Hilfe bekommen, ist es eine Überwindung, die Hilfe anzunehmen. Man ist es einfach nicht gewohnt, zuzugeben, dass man Hilfe brauchen kann. Das lässt einen schwach erscheinen? Vermutlich.
Ich habe aber festgestellt, dass es gar nicht schlimm ist, nicht alles hinzubekommen. Es ist okay, Fehler zu machen. Und es ist schon gar nicht schlecht, um Unterstützung zu bitten. Es ist ja eigentlich so, dass es eine win-win-Situation ist. Beide haben wir etwas davon: der Held und der Unterstützte. Wir müssen uns das nur zugestehen.
Und wenn wir das schaffen, dann sind wir Helden, Helden – nicht nur für einen Tag!
Und haben Sie es erkannt? Vermutlich ja, es ist ein Welthit von David Bowie: Heroes. Ein Lied, dass von einem Liebespaar an der Berliner Mauer erzählt. Einer auf der Ost-, einer auf der Westseite von Berlin. Heroes ist das 12. Studioalbum vom David Bowie und erschien im Oktober 1977.
In zahlreichen Filmen wird es als Thema aufgenommen, unter anderem in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“.
Zur Bedeutung findet sich im Internet folgendes zu diesem Lied:
"Heroes" ist nicht nur ein Welthit von David Bowie, sondern auch eine Hommage an den Mut und die Liebe. Entstanden ist der Titel zu Bowies Zeit in Berlin. Er mietete sich dort eine kleine Wohnung über einer Werkstatt, um dem Ruhm und Stress zu entkommen. In dieser kleinen Wohnung schrieb er das komplette gleichnamige Album. Was als Liebesgeschichte beginnt, wird zur universalen Aussage über den Sieg der Liebe und des Zusammenhalts über Unterdrückung und Waffengewalt. Denn jeder kann ein Held sein.
Die Liebenden sind so entschlossen, dass sie sich jeden Tag an der Berliner Mauer unter einem Geschützturm treffen. Sie gehen jedes Risiko ein, ignorieren Waffen und Wachen, nur um sich für einen Augenblick sehen und küssen zu können.
Übrigens: Bei den Liebenden handelt es sich um damalige Bekannte von David Bowie. Besungen wird sein Produzent Tony Visconti, der eine Affäre mit Background-Sängerin Antonia Maass hatte. Bowie sah die beiden immer vor der Mauer stehen, wenn er aus dem Fenster des Hansa Studios in Berlin schaute. Dieses Gerücht entstand bereits einige Jahre nach der Veröffentlichung der Single, allerdings bestätigte Bowie die Geschichte erst 2003 in einem Interview. (https://www.radiobob.de/musik/textkunde/david-bowie-heroes)
Oder auch hier:
Der Text beschreibt die Begegnung und Beziehung eines Paares im Schatten der Berliner Mauer. Er wird aus der Sicht des Mannes erzählt und beginnt als konventionelle Liebesgeschichte. In der ersten Strophe betont er die Liebe, auch wenn es Gegner gibt: “We can beat them”, aber auch die Flüchtigkeit der Liebe: “We can be heroes just for one day”. Die zweite Strophe bleibt in der Innensicht und betont, dass die Liebe bedingungslos ist und auch durch unangenehme Verhaltensweisen – “You can be mean and I’ll drink all the time” – nicht eingeschränkt wird. Durch die dritte Strophe, die durch zwei längere Instrumentalteile vom Rest des Liedes getrennt wird, gewinnt es einen umfassenderen Charakter. Hier verlässt Bowie erstmals die direkt narrative Ebene und benutzt Symbolik: “I wish I could swim like Dolphins can swim”.
Darauf folgt noch einmal die erste Strophe, allerdings durch die Darstellung mit einer wesentlich höheren Eindringlichkeit. Die nächste Strophe schließlich verlegt die bisher relativ offene Geschichte an “the wall” und “guns shot above our heads”. Durch diese Strophe kommen politische Konnotationen ins Spiel. Die Dramatik steigt. Die Freiheit des schwimmenden Delphins kontrastiert mit der Eingeschlossenheit der Mauer, die flüchtige Gegenwart des Refrains “we could be heroes just for one day” kontrastiert mit der Endgültigkeit der Todesdrohung durch die Waffen. Die Überlegenheit liegt aber klar auf Seiten der Liebenden, denn: “Oh we can beat them, for ever and ever”, denn die Schande liegt auf der Seite der Waffenträger. Was als Liebesgeschichte beginnt, wird zur universalen Aussage über den Sieg der Gefühle und des Zusammenhalts über Repression und Waffen.“ https://de.wikipedia.org/wiki/%E2%80%9CHeroes%E2%80%9D_(David-Bowie-Lied)
Ob man das Lied jetzt als Liebesgeschichte oder als politisches Statement versteht, zeigt es doch eines: wir alle haben die Chance, über uns hinauszuwachsen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen die Chance, zum Held zu werden. Sei es für einen Tag, sei es für länger. Und ich wünsche uns den Mut, über uns hinauszuwachsen und diese Chance wahrzunehmen.
geschrieben von Kirsten Gutleben
