Wer erkennt es – März 2025
Frühling! Der Sieg des Lebens über den Tod im Winter, die Natur erwacht wieder. Wir können die ersten Sonnenstrahlen genießen und uns etwas wärmere Luft um die Nase wehen lassen. Zu diesem Thema habe ich ein interessantes Lied gefunden, das erst im letzten Jahr veröffentlicht wurde. Hier der Text.
Ich bin nicht okay
Ich komme kaum über die Runden
Ich verliere den Überblick über die Tage
Und verliere nachts den Schlaf
Ich bin nicht okay
Ich klammere mich an die Schienen
Also, wenn ich sage, dass es mir gut geht
Dann weißt du nur, dass ich gelernt habe, es gut zu verbergen
Ich weiß, ich kann nicht der Einzige sein
Der sich mit letzter Kraft festhält
Aber Gott weiß, ich weiß
Wenn alles gesagt und getan ist
Ich bin nicht okay
Aber am Ende wird alles gut sein
Es ist nicht okay
Aber wir werden alle in Ordnung sein
Heute bin ich aufgewacht
Ich hätte fast im Bett bleiben können
Der Teufel saß mir im Nacken
Und Stimmen in meinem Kopf
Manche Tage sind nicht so schlimm
Manche Tage werden nur schlimmer
Manche Tage schwöre ich, ich wäre besser dran
Wenn ich im Dreck liegen würde
Ich weiß, ich kann nicht der Einzige sein
Der sich mit letzter Kraft festhält
Aber Gott weiß, ich weiß
Wenn alles gesagt und getan ist
Ich bin nicht okay
Aber am Ende wird alles gut sein
Es ist nicht okay
Aber wir werden alle in Ordnung sein
Es wird alles gut sein
Es wird alles gut sein
Ich weiß, eines Tages werden wir die andere Seite sehen
Der Schmerz wird sich in einer Flut aus heiligem Wasser auflösen
Und wir werden alle in Ordnung sein
Ich weiß, ich kann nicht der Einzige sein
Der sich mit letzter Kraft festhält
Aber Gott weiß, ich weiß
Wenn alles gesagt und getan ist
Ich bin nicht okay
Aber es wird alles gut sein
Es ist nicht okay
Aber wir werden alle in Ordnung sein
Ich bin nicht okay
Aber es wird alles gut sein
Für mich ist dies ein Lied, welches unsere Gesellschaft sehr gut skizziert: immer stark sein und nach außen anzeigen, dass es einem gut geht. „Also, wenn ich sage, dass es mir gut geht, dann weißt du nur, dass ich gelernt habe, es gut zu verbergen“, so heißt es im Text.
Sind wir ehrlich: oft benutzen wir die Phrase: „Wie geht es dir“ als Einstieg in ein Gespräch. Eigentlich wollen wir gar nicht wissen, wie es dem anderen geht. Wir erwarten eine Antwort wie „Gut“ oder maximal „es muss ja“. Sind wir darauf vorbereitet, wenn das Gegenüber sagt: „nicht so gut“?
Oft genug ist es doch so, dass man genervt, gestresst oder einfach mal so niedergeschlagen ist. Kann man das einfach äußern? Ja, man kann. Und die Reaktionen sind oft überraschend und wohltuend. In der Woge der Fürsorge seiner Freunde kann man entdecken, dass sie sich wirklich um dich kümmern. Das tut gut! Und es hilft, dass es einem schon ein kleines bisschen besser geht.
Es geht dabei nicht um Jammern von der einen und nicht um Mitleid von der anderen Seite. Es geht um Ehrlichkeit und Auffangen, um Wahrnehmen und Wertschätzung. Vielleicht bin ich ja naiv, aber wenn man unter Freunden nicht einfach sein darf, wann und wo denn dann?
„Ich weiß, ich kann nicht der Einzige sein, der sich mit letzter Kraft festhält“. Es geht uns allen doch mal gut und mal schlecht. Und an diesen Gefühlen kann man seine Umwelt ruhig teilhaben kann. Gegenseitig kann man sich in den guten Tagen nach oben ziehen, gegenseitig kann man sich stützen, wenn es kein guter Tag ist.
Eine Strophe in dem Lied finde ich besonders bezeichnend und erinnert mich an Menschen, die an Depression leiden. Eine üble Krankheit, die so schwer nachzuvollziehen ist. Wie leicht erwischt man sich bei dem Gedanken, die Person möge sich einfach am Riemen reißen. Aber so einfach ist das halt nicht. Die Strophe, die ich meine, ist diese hier:
„Heute bin ich aufgewacht
Ich hätte fast im Bett bleiben können
Der Teufel saß mir im Nacken
Und Stimmen in meinem Kopf
Manche Tage sind nicht so schlimm
Manche Tage werden nur schlimmer
Manche Tage schwöre ich, ich wäre besser dran
Wenn ich im Dreck liegen würde“
Es ist für Erkrankte schon schwer, morgens aufzustehen und den Alltag anzugehen. Und wenn sie es dann doch tuen, dann wird es immer schlimmer und alles geht in dieser Krankheit unter. So schlimm, dass es besser wäre, wenn man sich komplett aufgeben würde, wie es heißt, „im Dreck liegen“. Aufgeben, das Leben nicht leben und lieben, das kann doch nicht besser sein, als alles andere.
Jetzt im Frühling siegt das Leben wieder über den Tod. Der Winter ist vergangen und das Leben kehrt in die Natur zurück. Für mich ist das immer wieder ein Wunder. Und es zeigt mir für mein eigenes Leben, dass nach schweren Stunden wieder lichtdurchflutetes Leben kommen kann.
Und auch im Lied schimmert das Positive durch, im Refrain: „Ich bin nicht okay, aber am Ende wird alles gut sein. Es ist nicht okay, aber wir werden alle in Ordnung sein“.
In schwierigen Zeiten ist dies doch ein Blick in die Zukunft, der einem Hoffnung machen kann und machen sollte. Es bleibt nichts so, wie es ist, es wird immer anders. Und so verbleiben wir leider nicht in den guten Zeiten, aber dafür verbleiben wir auch nicht in schlechten Zeiten. Und in allen Zeiten haben wir unsere Freunde, die bei uns sind, die uns stärken und die wir stärken können, in unseren Auf-und-Abs in unserem Leben.
In der letzten Strophe geht es dann eindeutig um das Leben nach dem Tod: „Ich weiß, eines Tages werden wir die andere Seite sehen, der Schmerz wird sich in einer Flut aus heiligem Wasser auflösen und wir werden alle in Ordnung sein“. Ich finde es schwierig, mir vorzustellen, auf diese Zeit hinzuleben. Aber es ist ein guter Gedanke, dass alles mit und durch Gott gut werden wird. Und dabei denke ich an das Diesseits, nicht an das Jenseits.
Und? Wer hat es erkannt? Es ist das Lied „I´m not okay“ von Jelly Roll, eines US-amerikanischen Sängers. Erschienen im Jahr 2024 ist es relativ neu.
Zur Entstehung schreibt Wikipedia: „Im Herbst 2023 buchten die Songwriter Ashley Gorley und Casey Brown Flüge nach North Carolina, um sich dort mit Jelly Roll und Ashley Gorley zu treffen. Die vier schrieben einige Lieder. Anschließend besuchten die drei Songwriter noch Jelly Rolls Konzert in Wilmington am 5. Oktober 2023. Taylor Phillips bemerkte dabei, wie einige Konzertbesucher die Musik förmlich aufsaugten, weinten, jubelten oder einfach die Hände in die Luft streckten. Auf der Busfahrt zum nächsten Konzert in Greensboro sagte Phillips zu Roll, dass seine Konzerte wie der Besuch einer Kirche wären. Jelly Roll erwiderte, dass es für die Leute „okay ist, nicht okay zu sein“. Ashley Gorley hatte auf seinem Handy die Worte I Am Not Okay als einen möglichen Songtitel. Er setzte sich an ein Klavier und sang den Titel.
Anschließend wurde eine Demoversion aufgenommen, bei der er grob den Text sang. Am nächsten Tag sang Jelly Roll den Text ein, während Sessionmusiker Nathan Keeterle die Klavierparts auf einer E-Gitarre spielte. Gegen Ende der Aufnahmen änderte Jelly Roll noch die letzte Zeile des Refrains von „But it’s gonna be alright“ in „But we’re all gonna be alright“. Er war der Meinung, dass dies die Botschaft wäre, die er den Hörern hinterlassen möchte, besonders, wenn diese an Depressionen leiden.[2] Produziert wurde das Lied in den Saxman Studios von Zach Crowell.“ https://de.wikipedia.org/wiki/I_Am_Not_Okay
An einer anderen Stelle heißt es: „Der Text von "I Am Not OK" von Jelly Roll ist ein zutiefst emotionales Lied, das sich mit den Kämpfen der psychischen Gesundheit und der Fassade auseinandersetzt, die Menschen oft aufbauen, um ihre wahren Gefühle zu verbergen. Der Text beschreibt eine Reise durch Schmerz, Verwirrung und den unerbittlichen Kampf, um den Anschein von Normalität zu wahren. Trotz des überwältigenden Gefühls der Verzweiflung zieht sich ein Hoffnungsschimmer durch das Lied und deutet darauf hin, dass, obwohl die Dinge im Moment nicht in Ordnung sind, der Glaube besteht, dass irgendwann alles gut werden wird. Diese Dualität des Kampfes und des Festhaltens an der Hoffnung findet bei jedem Anklang, der ähnliche Kämpfe in seinem Leben geführt hat. Das Lied unterstreicht die Bedeutung, die eigenen Gefühle anzuerkennen und Trost in der gemeinsamen menschlichen Erfahrung von Leid und Widerstandsfähigkeit zu finden.“ https://www.reddit.com/r/JellyRoll615/comments/1df2oow/i_am_not_ok_lyrics_meaning_by_jelly_roll/?tl=de&rdt=38303
Will man sich im Internet die einzelnen Strophen anschauen und kommentiert haben, ist man an dieser Stelle gut aufgehoben: https://holler-country.translate.goog/news/general/i-am-not-ok-by-jelly-roll-lyrics-and-meaning/?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=sc
Ich finde es wichtig, sich in unserer Ellenbogengesellschaft zu trauen, sich offen und verletzlich zu zeigen. Damit machen wir anderen Mut, auch ehrlich zu sein.
Vermutlich kennen Sie das Ritual, zum Geburtstag eine Kerze anzuzünden und sich etwas zu wünschen. Der Wunsch darf dann nicht mitgeteilt werden. Wie blöd, denn dann kann ja keiner dabei helfen, den Wunsch zu erfüllen. Wenn man den Wunsch dagegen äußert, kann dieser Wunsch vielleicht doch einfach mal erfüllt werden? Nur wenn man weiß, was der andere wünscht und wie es dem anderen wirklich geht, kann man doch unterstützen?
Ich wünsche uns allen, dass wir unsere Gefühle zeigen können, dass wir uns trauen zu zeigen, wie es uns geht, sei es gut oder schlecht. Und ich wünsche uns allen Menschen, die uns auffangen und uns unterstützen. In guten wie in schlechten Zeiten.
geschrieben von Kirsten Gutleben
